Kölner Stürmerdämmerung

11. März 2024

Beitrag auf faz.net von Daniel Theweleit

Der eine Punkt hilft zwar nur wenig, aber der 1. FC Köln schöpft nach dem 3:3 in Mönchengladbach Hoffnung im Kampf gegen den Abstieg: Die Offensive scheint gar nicht so schwach wie befürchtet.

Erfahrungsgemäß ist Vorsicht geboten mit Rückschlüssen und möglichen Trends aus rheinischen Derbys, zu oft schon haben die Eindrücke aus diesen Partien sich schnell als gefährliche Täuschung entpuppt. Diese Gefahr besteht auch nach dem verrückten 3:3 zwischen Mönchengladbach und Köln, an dessen Ende der Kampf gegen den Abstieg des FC aber zumindest vorerst in einem etwas helleren Licht erscheint.

Der eine Punkt hilft zwar nur wenig, aber drei Tore hat die für ihre Offensive kritisierte und manchmal sogar bemitleidete Mannschaft seit dem Hinspiel (3:1) nicht mehr geschossen. „Wir haben offensiv das beste Spiel gezeigt, seit ich hier Trainer bin“, sagte Timo Schultz nach diesem zwar nicht sehr niveauvollen, dafür aber wendungsreichen und phasenweise wilden Derby.

Die mitunter erschreckende Harmlosigkeit im Angriff zählte – in Verbindung mit dem seit der Winterpause geltenden Transferverbot – zu den zentralen Gründen für die Hoffnungslosigkeit, die sich zwischenzeitlich im Umfeld des Vereins ausgebreitet hatte. Doch nun weicht die Gefahr der Resignation neuer Zuversicht.

Faride Alidou hat seine persönliche Bilanz mit zwei Toren im Borussia-Park auf insgesamt vier Rückrundentreffer ausgebaut; der Flügelstürmer wirkt nicht nur gereift, sondern auch immer selbstbewusster. In der vorigen Woche beim 0:2 gegen Leverkusen spielte der Angreifer Sargis Adamyan auffallend stark, und in der zweiten Halbzeit in Mönchengladbach erschien plötzlich Damion Downs auf dem Rasen, der abgesehen von drei Kurzeinsätzen während der Hinrunde zumeist in der U 21 des FC zum Einsatz kommt. Downs traf nach einem schlauen Weg in die Tiefe mit einem schwierigen Linksschuss zum 3:3 und ist plötzlich ein weiterer Kandidat fürs Toreschießen.

Zudem konnte Davie Selke in Gladbach erstmals seit seiner Fußverletzung aus dem Januar wieder einige Minuten spielen. „Wir haben zwar viele Fehler gemacht, aber auch viele Torchancen rausgespielt“, sagte Florian Kainz, was viele Fans vor dem Hintergrund der Kölner Saisongeschichte sehr erfreuen dürfte.

Denn dass das Team ganz gut verteidigen kann, ist unbestritten, selbst Klubs wie Freiburg, Hoffenheim oder Mönchengladbach haben mehr Gegentore zugelassen. Wenn sich jetzt tatsächlich dauerhaft funktionierende Offensivoptionen ergeben, ist vieles möglich. Zwar war sich Timo Hübers noch nicht ganz sicher, wie er dieses 3:3 einordnen soll, als er sagte: „Den Punkt nehmen wir mit, ob ich mich freuen oder ärgern soll, entscheide ich aber noch.“

Insgesamt ist die Zuversicht jedoch so groß wie lange nicht beim FC, zumal der Klub an diesem Spieltag mehr gewonnen hat als nur diesen einen Punkt. Durch das 1:8 von Mainz 05 beim FC Bayern ist plötzlich auch die Tordifferenz gegenüber dem Hauptkonkurrenten um den Relegationsplatz nicht mehr schlechter, sondern um drei Tore besser. Das hilft nicht zuletzt mental.

In den vergangenen Wochen war nämlich ein beängstigender Gedanke im Umfeld, aber auch innerhalb des Klubs auf störende Art präsent gewesen: Es gibt die Befürchtung, dass Mainz 05 diesen Abstiegskampf mit einem individuell stärker besetzten Kader als der FC bestreitet. Doch während die Mainzer trotz zweier Trainerwechsel keine echte Trendwende hinbekommen, werden in Köln plötzlich unbekannte Potentiale erkennbar.

Das Publikum muss nicht mehr vergeblich auf Glücksmomente der in der Bundesliga meist überforderten Stürmer Steffen Tigges oder Florian Dietz warten, mit Alidou, Selke oder Downs gibt es jetzt wieder Leute, die tatsächlich zu Faktoren im Kampf um den Klassenverbleib werden können.

Nach der Länderspielpause könnte zudem Luca Waldschmidt wieder einsatzfähig sein nach seinem Wadenbeinbruch, rechtzeitig zur entscheidenden Phase der Saison. Wichtiger als dieses Derby werden nämlich die Spieltage 28 bis 34, an denen der FC neben einem Duell beim FC Bayern gegen Bochum, Darmstadt, Freiburg und Union Berlin sowie in Heidenheim und Mainz spielt.