"So wird es nicht reichen"

19. Februar 2024

Beitrag auf sueddeutsche.de von Philipp Selldorf

Der 1. FC Köln hadert nach dem 0:1 gegen Werder Bremen erneut mit der erschreckenden Harmlosigkeit im Sturm - und mit einer Entscheidung des Schiedsrichters.

Aschermittwoch ist zwar gerade vorbei, dennoch wähnten sich viele Kölner am Freitagabend beim Spiel des FC gegen Werder Bremen mittendrin in einem Klassiker des kölschen Karnevalsrepertoires. Das Lied heißt, ins Hochdeutsche übersetzt, "In der Kaygasse Nummer Null" und handelt von Schülern, die beim Lehrer Welsch nichts Rechtes gelernt haben und das zu ihrer Rechtfertigung im immer gleichen Refrain vorbringen: "Dreimol Null es Null, es Null, es Null ..."

Diese Zeilen kamen einem in den Sinn, als der Kölner Trainer Timo Schultz beim Stand von 0:1 zum Äußersten griff: Erst wechselte er den Stürmer Sargis Adamyan ein, und ein paar Minuten später schickte er noch die Angreifer Florian Dietz und Steffen Tigges auf den Rasen. Dreimal null Saisontore waren somit vereint, und das Ergebnis von Schultz Sturmoffensive entsprach dem Refrain des Klassikers: "Dreimol Null bliev Null, bliev Null ..." Es blieb beim 0:1, der SV Werder nahm die drei Punkte und setzte sich nach oben ab, die Kölner dagegen sitzen unten fest und müssen zusehen, den Relegationsplatz 16 gegen Mainz und Darmstadt zu verteidigen. Das Wort "Rückschlag" war ein oft benutztes aufseiten der Kölner, die zuletzt dreimal hintereinander nicht verloren hatten.

Dem Anschein nach war am Freitagabend nicht zu erkennen, welches der beiden Teams in der ersten und welches in der zweiten Tabellenhälfte zuhause ist. Man beharkte und bekämpfte sich auf identisch geringem Niveau. Für den einzigen Treffer sorgte der eingewechselte Justin Njinmah, der den Ball nach einem Fehler von Torwart Marvin Schwäbe über die Linie (70. Minute) brachte. "Es war schon ein sehr krummes Tor, ich stolpere ihn eher rein", sagte der Schütze absolut wahrheitsgemäß. Bis zu diesem Bremer Glücksfall steuerte die Partie geradewegs auf ein Nullnull der keineswegs besseren Sorte zu. Die Null war irgendwie der Schirmherr dieses Fußballabends.

"Vollkommen unverständlich", sagt Florian Kainz, "das war ein klarer Elfer."

Dies galt nach Ansicht der Kölner auch für die Leistung des Schiedsrichters Daniel Siebert und des angeschlossenen Videogerichts. Null Durchblick bescheinigten die Leute vom FC den Aufsehern des DFB, weil sie keine Untersuchung einleiteten, nachdem Werder-Torwart Michael Zetterer den Kölner Verteidiger Luca Kilian das Knie in den Rücken gerammt hatte - und dies in der Tat heftig und fern vom Ball. Er müsse auf seine Worte aufpassen, sagte ein zorniger FC-Kapitän Florian Kainz: "Vollkommen unverständlich" sei der Entscheid, "das war ein klarer Elfer".

Die Trennung von Steffen Baumgart und der Trainerwechsel haben beim 1. FC Köln die erhoffte Wirkung gezeigt, die Mannschaft spielt in einer anderen Ordnung und hat neuen Mut gefasst, doch beim Angriffsspiel vermag Timo Schultz mit seiner Lehre keine Wunder zu vollbringen. Am Freitag standen zehn Kölner Torschüsse auf dem Statistikzettel, "doch gefährlich waren vielleicht zwei oder drei", sagte Schultz. Einzig der 19-jährige Justin Diehl sorgte nach seiner Einwechslung für ein bisschen Leben. Baumgart hatte den schnellen, draufgängerischen Flügelspieler aus Prinzip ferngehalten - Diehl wollte seinen Vertrag nicht verlängern -, Schultz hat ihn reaktiviert: "Bin froh, dass ich ihn habe", sagte der Trainer mit einem imaginären Seufzen.

Bezeichnend auch, dass der 1. FC Köln während der Woche eine Sonderdepesche veröffentlichte: Davie Selke steige nun wieder ins Teamtraining ein, hieß es darin. Die Absicht der Eilmeldung war klar: Hoffnung wecken. Offensiv müsse sein Team besser werden, fasste Timo Schultz den Nullnummer-Abend zusammen: "So wird es nicht reichen."